Warum ein Gesetz in Sachsen?
Die Bundesrepublik Deutschland hat ein internationales Übereinkommen, welches die Freistellung von abhängig Beschäftigten für Bildungszwecke vereinbart, bereits im Jahre 1974 ratifiziert. Seither haben 14 Bundesländer ein entsprechendes Landesgesetz verabschiedet. Sachsen und Bayern fehlen noch. In den Gesetzen werden Details zu Anspruch, Dauer, Art der Bildung, zugelassene Veranstaltungen, Antragsfristen usw. rechtsverbindlich geregelt. Das schafft Planungssicherheit für alle Beteiligten.
Argumente für Bildungszeit und eine gesetzliche Regelung
Alle Bereiche unseres Lebens verändern sich. Um mit der Entwicklung mitzuhalten, müssen wir immer neue Dinge lernen. In der Arbeitswelt liegt es in der Verantwortung des Arbeitgebers, dass die Beschäftigten »Up-to-Date« und z.B. in der Lage sind, neue Maschinen und Geräte effizient und sicher zu bedienen. Im privaten Alltag fehlt es leider an Gelegenheiten neue Kompetenzen zu erwerben. Hier könnte die Bildungszeit Abhilfe schaffen. Die jährliche Inanspruchnahme individueller Fortbildung stärkt die Zukunftsaussichten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, schafft ein besseres Verständnis für Veränderungen, baut Ängste ab und vermittelt das Gefühl, dazuzugehören und die Zukunft gestalten zu können.
Eckpunkte eines Gesetzes
Selbstverständlich darf der Anspruch auf Bildungszeit nicht dazu führen, dass der Betrieb stillsteht, weil die ganze Belegschaft zum Kurs ist. Was sinnvoll und machbar ist, kann ein Gesetz regeln. Ein solches schreibt auch die Fristen vor, in denen ein Antrag beim Arbeitgeber gestellt und von ihm beantwortet werden muss, welche Gründe für Ablehnungen in Frage kommen und was passiert, wenn die Fristen nicht eingehalten werden. Es geht hier um verbindliche Spielregeln, die allen Beteiligten, also Arbeitnehmern, Arbeitgebern und den Bildungsträgern Planungssicherheit geben.
Und natürlich muss ein Gesetz auch regeln, welche Bildungsveranstaltungen überhaupt für die Inanspruchnahme von Bildungszeit in Frage kommen. Wir plädieren dafür, jede individuelle Weiterbildung also allgemeine, berufliche, politische, ehrenamtliche, soziale oder kulturelle Bildung zuzulassen. Dass trotzdem nicht jeder schräge Selbsterfahrungskurs als Grund für eine bezahlte Freistellung von der Arbeit herhalten darf, liegt auf der Hand.
Hier eine Kurzzusammenfassung des Gesetzesentwurfs:
Anspruchsberechtigte der Bildungszeit sind alle Arbeitnehmenden, welche in einem Arbeitsverhältnis stehen, welches seit mindestens sechs Monaten besteht. Dauner fallen auch Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen, Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sowie Azubis und duale Studienende.
Der Anspruch umfasst fünf Tage Bildungsfreistellung. Dies ist ein Mindestanspruch, anderweitig geregelte Freistellungstage werden dazu gerechnet. Anspruchsberechtigte mit welche regelmäßig mehr oder weniger als fünf Tage die Woche arbeiten, haben einen entsprechend angepassten Anspruch. Nicht genutzte Bildungszeittage verfallen und können nicht in das nächste Kalenderjahr übernommen werden. Bei Arbeitgeberwechseln werden die im Kalenderjahr bereits in Anspruch genommenen Tage im neuen Arbeitsverhältnis im betroffenen Jahr gekürzt.
Die Inanspruchnahme muss für anerkannte Weiterbildungsmaßnahmen genutzt werden. Welche genau, können von den Anspruchsberechtigten frei gewählt werden. Die Inanspruchnahme muss so früh wie möglich dem/der Arbeitgeber*in mitgeteilt werden. Spätestens sechs Wochen vor Beginn der Weiterbildungsmaßnahme. Diese Frist stellt einen Grundsatz da, von dem bei beidseitigem Einvernehmen oder in Härtefällen abgewichen werden kann. In der Mitteilung müssen Zeitraum, Inhalt und die Anerkennung des Anbieters angezeigt werden. Nach der Teilnahme ist diese dem/ der Arbeitgeber*in eine Teilnahmebestätigung auszuhändigen. Diese wird den Teilnehmenden von den Anbietern unentgeltlich ausgestellt.
Der Antrag kann vom dem/der Arbeitgeber*in versagt werden, wenn dringende betriebliche oder dienstliche Belange dagegensprechen oder in laufenden Kalenderjahr bereits ein Drittel der Beschäftigten Bildungszeit in Anspruch nimmt. Gegenüber Azubis und Studierenden kann dies nicht geltend gemacht werden. Versagte Bildungszeit wird den Anspruchsberechtigten im kommenden Kalenderjahr gutgeschrieben.
Fragen und Antworten für Arbeitgeber*innen
Wie viele Bildungszeit-Tage sind vorhergesehen?
Arbeitgeber*innen sollen ihren Arbeitnehmer*innen im Jahr 5 Tage Bildungszeit genehmigen.
Wie kann ich als Arbeitgeber*in sichergehen, dass seriöse Angebote wahrgenommen werden?
Die Seminare und Kurse, welche von Arbeitnehmer*innen besucht werden können, müssen nachweislich anerkannt sein.
Wie kann ich als Arbeitgeber*in Planungssicherheit haben, wenn Arbeitnehmer*innen Bildungszeit in Anspruch nehmen?
Arbeitnehmer*innen müssen einen Antrag stellen, um ihre Bildungszeit in Anspruch zu nehmen. Dieser soll dem/n Arbeitgeber*innen mindestens sechs Wochen vor dem Termin überreicht werden. Somit bleibt genügend Zeit für die Planung der Arbeitskraft.
Was ist, wenn alle gleichzeitig Bildungsurlaub beantragen?
Im unwahrscheinlichen Fall, dass zu viele Arbeitnehmer*innen gleichzeitig einen Antrag stellen und somit die Arbeitsproduktivität gefährdet wäre, ist der/die Arbeitgeber*in berechtigt, den Antrag abzulehnen. Dies ist der Fall, wenn wichtige betriebliche oder dienstliche Belange behindert werden würden oder im laufenden Kalenderjahr ein Drittel der Belegschaft bereits Bildungszeit in Anspruch genommen hat.
Wer ist für die Bildungszeit zuständig?
Der Informationsfluss über die Möglichkeiten zur Bildungszeit kann von den Betriebsräten übernommen werden. Arbeitnehmer*innen entscheiden sich selbstständig, ob und welche Angebote wahrgenommen werden. Der/ Die Arbeitgeber*in muss lediglich die Anträge ablehnen, falls oben beschriebene Gründe geltend gemacht werden können.
Was ist, wenn es nun durch die Bildungszeit ständig zu Arbeitsausfällen kommt?
Die Erfahrungen aus den 14 Bundesländern, in denen der Bildungsurlaub bereits realisiert worden ist, zeigen, dass im Schnitt nur 2% der Arbeitnehmer*innen die Bildungszeit in Anspruch nehmen.
Was ist, wenn sich durch die Bildungszeit Arbeitnehmer*innen nur mehr freie Tage erschleichen wollen?
Arbeitnehmer*innen, welche eine Genehmigung für ihre Bildungszeit erhalten haben, sind dazu verpflichtet, die angegebenen Kurse und Fortbildungen auch tatsächlich wahrzunehmen. Zum Nachweis sind Angebotsanbieter verpflichtet, Teilnahmebescheinigungen auszustellen.
8. Was habe ich als Arbeitgeber*in davon, wenn meine Arbeitnehmer*innen Bildungszeit in Anspruch nehmen?
Auch Arbeitgeber*innen gewinnen durch die Bildungszeit Vorteile: Zum einen können sich ihre Arbeitnehmer*innen weiterbilden, von gewonnener Expertise profitieren auch die Arbeitgeber*innen. Zum anderen können Arbeitnehmer*innen Kurse im Bereich Gesundheit besuchen sowie im Bereich der Kultur und damit ihre Lebensqualität seigern. Bessere Gesundheit und Lebensqualität tragen zu motivierteren und lernwilligen Arbeitnehmer*innen mit weniger Krankheitsausfällen bei. Zuletzt gelten Betriebe, welche Bildungszeit aktiv unterstützen, als attraktive Arbeitgeber wies verschafft ihnen einen Vorteil in Zeiten des Fachkräftemangels.
Welche Kosten müssen von den Arbeitgeber*innen getragen werden?
Die Kosten für die Bildungskurse übernehmen die Arbeitnehmer*innen selbst. Lediglich der Stundenlohn des jeweiligen freigestellten Tages wird vom/n Arbeitgeber*innen ausbezahlt. So wie bei üblichen Urlaubstagen.
Wieso sollte ich als Arbeitgeber*in die private Bildung meiner Arbeitnehmer*innen durch Bildungszeit unterstützen?
Die Teilnahme an Weiterbildungskursen steigert die Motivation, weiterhin lernfähig zu bleiben. Es zeigt sich, dass Teilnehmende ohnehin trotz des breiten Angebotsspektrums meist berufsbezogene Seminarangebote auswählen. Somit profitieren Arbeitgeber*innen von besser qualifiziertem Arbeitnehmer*innen. Zum anderen können Arbeitgeber*innen mit Bildungszeit einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, indem sie dem Ehrenamt den Rücken freihalten und zur Demokratisierung beitragen, indem sie ihren Arbeitnehmer*innen politische Bildung ermöglichen.